XXIII.

Da gab es einen schlimmen Konflikt, der in mir aufkeimte. Während meiner Kindheit hatte ich erst gelernt, mir alles gefallen lassen zu müssen. Ich bin stärker als du, ich darf das, du bist wehrlos. Für jene, die sich an mir vergreifen durften, war damit alles in Ordnung. Daraufhin hatte ich gelernt, mich zur Wehr zu setzen.

 

KB hatte nichts Besseres zu tun, als mich mit dieser ganzen Scheiße, welche sie in trauter Zusammenarbeit mit Jack angerichtet hatte, allein zu lassen. Dieses Mal in Handschellen hinauf in meine Zelle - Sie hatte sich herumgedreht um Sang und Klanglos zu verschwinden. << Wenn ich Zeit habe, komme ich vorbei >> hatte sie unverbindlich gesagt. Klar. Und wenn ich Zeit habe, dann töte ich dich. Im Handumdrehen hatte sie es geschafft, mich so wütend zu machen, dass ich das Gefühl nicht los wurde - begegnete ich ihr, würde ich sie umbringen. Wahrscheinlich nicht der richtige Weg, mich aus der Situation, in der ich mich befand, zu befreien, dachte ich, über meine eigenen Gedanken amüsiert. Aber im Ernst: Ihrer und auch meiner eigenen Sicherheit wegen musste mich davor bewahren, ihr noch einmal zu begegnen. Bei dem, was diese GRmpfl.. - *zensiert* sich mir gegenüber geleistet, mir und meinem ungeborenen Kind bereits in der kurzen Zeit, seit sie als meine gesetzlicher Vormund fungierte, bereits hatte antun können, wuchs ein Pfropf in meinem Herzen. Das fühlte sich gar nicht gesund an. Hatte sie nicht den Auftrag erhalten, mich nach bestem Wissen und Gewissen zu unterstützen? Dazu gehörte es doch in erster Linie auch, sich vielleicht ein wenig mit mir auseinander zu setzen! Und nun hatte sie sich bereits beim unserem dritten Wiedersehen auch zum dritten Mal schlicht geweigert, mir zuzuhören. Sie wusste rein gar nicht über das Gollum Problem Bescheid, über meine Achillesferse, den Tyrannen, der mir als Dr. Jekyll und Mr. Hyde im letzten Jahr das Leben so schwer gemacht hatte. Wie sollte sie auch? Immer, wenn ich mit ihr mal ein zwei Takte mit ihr darüber reden wollte, blockte sie das Gespräch ab und verpisste sich.

 

Statt dessen hatte sie sich sogar mit ihm verbrüdert, mir in kollegialer Zusammenarbeit mit ihm schrecklichste Probleme beschert, dabei völlig bedenkenlos mein Leben und das des ungeborenen Kindes aufs Spiel setzend. Ich hasste sie. Dieses für mich neue, mir bis dato völlig unbekannte Gefühl schmerzte mich so sehr, dass es mich aus der Bahn warf, ich es einfach nicht mehr aushielt. Ich fing an, mich vor einer Begegnung mit ihr zu fürchten. Ein weiteres Mal das Gespräch zu suchen, ergab keinen Sinn: die unbändige Wut, die ich empfand, würde mich verstummen lassen wie einen Fisch. Sicher würde sie mich obendrein wieder verhöhnen, wie es so ihre Art war. Das würde die Situation nicht einfacher machen. In einem solchen Augenblick wäre ich wieder dazu gezwungen, auf Autopilot zu schalten, welcher eine Möglichkeit war, solche Situationen gefahrlos zu überstehen.1 Aber: Auch Autopilot funktionierte nur dann, wenn man mich wie einen Gegenstand behandelte und sonst mehr oder weniger in Ruhe ließ... Nein. Es war sehr wichtig, dass wir uns auf keinen Fall begegneten.

 

Als sie ein paar Tage später telefonisch durch das Pflegepersonal ihren Besuch ankündigen ließ, bat ich die Bediensteten darum, ihr von mir auszurichten, dass sie gar nicht erst her zu bemühen brauchte. Die Gefühle, die es in mir hervorrief, wenn ich nur daran dachte, waren sehr schmerzhaft und rabentiefschwarz. Die Hoffnung, dass sie mir jemals zuhören oder sogar einmal wirklich zu helfen bereit wäre, war irrational weit entfernt. Aus welchem Grund wollte sie kommen? Live Action im Affengehege? Mir beim Banane-essen zusehen? Sich an ihrem Überlegenheitsgefühl ergötzen? Mir mal wieder einen Haufen unnützes Zeug erzählen? Mich noch einmal auslachen, wenn ich behauptete, ungerecht behandelt worden zu sein, um mich daraufhin wieder dumm im Regen stehen zu lassen? Den Ärzten beim anschließenden Plausch berichten, wie geisteskrank ich war? Die Lebensaufgabe, mich gegen so jemanden wie dieses schwer amputierte Geschöpf zur Wehr zu setzen, erschien mir noch viel schwieriger als es die Herausforderung, vor die der Jack mich im Umgang mit ihm gestellt hatte. Wie soll man sich denn gegen jemand wehren, der die Möglichkeit verliehen bekommt, einem durch rechtmäßigen Machtmissbrauch sowie dem daraus resultierenden Fehlverhalten zu schaden? Gegen jemanden, der das ausdrücklich darf, während man selbst nicht einmal mehr das Anrecht auf körperliche Unversehrtheit und freie Entscheidung hat! Wo, weil dieses Szenario das Etikett des vermeintlichen "Guten" in der Welt trägt, es als "Hilfe" deklariert werden darf.2

 

Sie kam natürlich trotzdem. Wie meine Mutter es früher getan hatte, ignorierte und überging auch sie mich einfach grundsätzlich. Man kündigte mir den Besuch an.

<< Wieso? >> fragte ich.

<< Ich habe doch gesagt, sie soll zu Hause bleiben! >>

<< Aber sie ist doch ihre Betreuerin! >>

<< Na und? >>

Ich erntete ein Schulterzucken.

 

KB neigte dazu, ohne zu zögern unaufgefordert überall einzudringen. Ich überlegte, ob ich mich nicht vielleicht irgendwo verstecken konnte. Aber das ging hier ja nicht. Selbst, wenn ich mich auf der Toilette einschloss, irgendwann wäre ich auch dort ausfindig gemacht worden. Undenkbar: Dann würde sie mich durch die Türe hindurch mit ihrem geistigen Durchfall volllabern. Das wollte ich lieber nicht riskieren. Daher schütze ich mich auf die einzige Art, die mir in dem Moment als die Sicherste erschien: Ich hielt die Tür zu. Ob oder ob nicht das für weiteres Gerede in der Klinik sorgen würde, musste mir jetzt egal sein. Dort konnte sie meinetwegen stehen bleiben, bis sie schwarz wurde. Die Türe blieb zu. Diese Ausgeburt von Unfähigkeit durfte nicht mehr in meiner Nähe aufkreuzen. Das stellte ein zu großes Risiko dar. Dieses Inzuchtprodukt hatte ein für alle Mal verschissen.

 

Gott hilft demjenigen, der sich selbst hilft. Das Leben ist, wie ich gelernt habe, gnadenlos. Ursache und Wirkung in Betracht gezogen war die logische Schlussfolgerung erneut, mich nicht länger mehr auf die Menschen zu verlassen, welche mit mir auf eine solche Art umgesprungen waren. Hilfe von dieser Seite war nicht zu erwarten. Ein vernünftiges Gespräch? Vollkommen aussichtslos. Meinen Vater konnte ich ebenso aus der Liste der vertrauenswürdigen Menschen streichen. Jack sowieso. Es gab niemanden, auf den ich mich verlassen hätte können.3 Bei dem Versuch, etwas für mich zu verbessern, hatten alle lediglich eines unter Beweis gestellt: ihre Unfähigkeit. Man hätte ihr Verhalten sogar als offen feindselig auffassen können.4 Der Drang, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen und für Ordnung zu sorgen, wurde immer stärker. Ich konnte mich auf Niemanden verlassen? Das bedeutete: Wenn ich mir nicht eigenhändig aus der Patsche half, würde ich darin stecken bleiben. Ich musste mich schützen. Und das nicht nur vor tätlichen Übergriffen, sondern auch vor dem immensen emotionalen Stress, den die Bedingungen, in welchen ich mich befand, in mir auslösten. Dieser war nicht nur sehr schlecht für mich, sondern auch pures Gift für mein Kind.

 

Erfahrungsgemäß war ich dazu in der Lage, mich gegen Handgreiflichkeiten zu erwehren. Gegen Gollum hatte ich meine Hand erheben müssen. Auch seine Freundin versuchte des öfteren, sich an mir zu vergreifen. Als sie mir das letzte Mal begegnet war, hatte sie mich regelrecht überfallen. Im achten Monat schwanger, befand ich mich mit einem Fahrrad und einem Einkaufskarton bewaffnet auf dem Heimweg, als sie mir ungefragt aufgelauerte. Sie erwischte mich an einer Telefonzelle, in der jemand stand und telefonierte. Gezielt entwendete sie mir mein Portmonee, an dem an einer langen Kette meine Schlüssel befestigt waren.

<< Hey! Was soll das denn? Gibs zurück! >> rief ich erschrocken.

Triumphierend schleuderte sie mir ein:

<< Darauf kannst du lange warten. Ha! >> entgegen.

<< Das ist mein Eigentum. Gib es mir. >>

<< Nein! >>

Kurzerhand gab ich ihr ein Kinnhaken mit meiner Rechten. Das Gleichgewicht verlierend wedelte sie wild mit den Armen. In ihrer rechten Hand meine Geldbörse mit dem daran befestigen Schlüssel, der herum schwang und sie in ihrem Gesicht (rechts oben an der Stirn) traf. Daraufhin lies sie alles fallen, sprang in ihr Auto und fuhr davon, als sei der Teufel hinter ihr her. Ich sammelte die nun überall herum kullernden Münzen wieder ein und ging nach Hause. Später erhielt ich, telefonisch angekündigt, eine Drohung, dass man mich wegen Körperverletzung anzeigen würde.5

 

Solche Situationen möchte ich zwar nicht unbedingt erleben, aber dass ich sie (und auch viele vergleichbare) immer wieder erlebe, zeigt, dass ich mir in einer Notsituation auch selbst zu helfen in der Lage bin. Lästige Verehrer meines Geschlechts, welche einem des Nachts in Parks und an Straßenrändern auflauerten, wimmelte ich serienmäßig ab.6 Leider ist meine Hemmung, andere zu verletzen, viel zu stark, so dass die meisten davon noch glimpflich davon kommen konnten. Aber: Fühlte ich mich nicht wirklich ernsthaft bedroht, lies ich mir alles Erdenkliche gefallen, ohne mich dagegen zu wehren. Seit sehr langer Zeit daran gewöhnt, Prellbock und Punshing Ball für die Frustrationen anderer Menschen zu spielen, die sich, nachdem sie sie an mir abgearbeitet haben, besser fühlten,7 unterschied ich zwischen jenen, die aus einer Hilflosigkeit heraus handelten und jenen, die mir bewusst Schaden zufügen wollten.

 

Obendrein fühlte ich mich dazu verpflichtet, jedem, der in Not geriet, den Hals zu retten. Wird jemand8 in meiner Gegenwart angegriffen, mutiere ich regelrecht zur Kampfmaschine, mähe alles nieder. Mein Unrechtsbewusstsein zeigt sich auch dann, wenn ein anderer Mensch Opfer eines Mobbing Angriffes, ungerecht oder schlecht behandelt wird. Das merke ich sofort und stelle mich blindlings aufopfernd schützend davor.9

 

Meine Freundin für umsonst war ein grenzwertiger Fall. Definitiv hatte sie sich bereits die eine oder andere Ohrfeige verdient,10 welche ich ihr aber derzeit nicht verabreichen durfte. Bis sie ihren Versuch, bei mir einzudringen, aufgab, stemmte ich mit mit aller Kraft gegen die Zimmertür. Hatte sie endlich verstanden? Das hoffte ich doch sehr. Auf jeden Fall tauchte sie nicht noch mal wieder auf. Gut. Problem gelöst. Auch Gollum lies sich nicht mehr blicken, was mir nur Recht sein konnte. Ich hatte den Eindruck gewonnen, dass er bei dem, was er anrichtete, sehr berechnend vorging. Mit meiner gesetzlichen Betreuerin hatte er sich ebenso zusammengetan wie zuvor mit meinem Vater und den Psychiatrieheinies. Meine Selbstachtung und meine soziale Integrität zu untergraben, durfte er, in ihrem Windschatten segelnd, darauf vertrauen, dass mir nie jemand Gehör schenken würde. So wie alle anderen auch war er nur ein armes Opfer meiner psychischen Erkrankung.

 

Immer öfter suchten mich Wehen heim. Ich wurde verlegt. Von allen guten Geistern verlassen war mein einziger Trost, dass mein eigener Geist intakt geblieben war. Meine noch ungeborene Tochter verlieh mir die Kraft, weiterzukämpfen. Mittlerweile unterhielten wir einen Dialog, der ohne gesprochene Worte auskam. Als ich nach meiner unspektakulären Ankunft im christlichen Krankenhaus Quakenbrück meine wenigen Habseligkeiten in den leeren Schrank deponierte, versprachen wir uns gegenseitig, gut aufeinander Acht zu geben. Dafür, dass alles wieder in Ordnung käme, würde ich konsequent Sorge tragen. Wir mussten nur ruhig bleiben. Das war alles. Mehr, als einfach bloß die Ruhe zu bewahren, würde nicht erforderlich sein.

 

Selbstverständlich musste ich, dessen war ich mir bewusst, um wieder frei zu kommen auch den Ärzten gegenüber mit offenen Karten spielen. Selbst dann, wenn es mir sehr unangenehm war, dass ich darüber, was mir widerfahren war, sprechen würde müssen. Ich war noch nicht so weit. Das kam zu früh. Schweren Herzens beschloss ich, ihnen über die Probleme, die ich mit Jack gehabt hatte, Rede und Antwort zu stehen. Natürlich würde ich das. Für mein Kind. Für meine Tochter. Für uns. Einen anderen Weg gab es nicht. Es würde zwar schwer werden, aber in mir trug ich Grund genug, es wenigstens zu versuchen. Ich würde nicht durchdrehen, dies alles durchstehen. Alles tun, was notwendig war.

 

Am nächsten Morgen durfte ich mich sogar noch zwischen Leberwurst und Marmelade entscheiden, was für ein Luxus! Der Frau neben mir an am Frühstückstisch lief die Pisse in der Hose die Beine herunter. Sie besudelte sich und lachte dabei. Hier, stellte ich amüsiert fest, gab es auch nur Plastikbesteck. Und kleine, niedliche Kindergarten-Scheren, mit denen man zwar basteln, sich aber nicht ernsthaft verletzen konnte.

 

Manchmal, wenn Abends auf dem Flur alles ruhig wurde, geisterte Hosenpisserin dort herum. Sie ließ sich, wenn das Pflegepersonal auf sie aufmerksam wurde und sie aufforderte, wieder in ihr Zimmer zu gehen, auf den Boden fallen. Dann wurde sie in der Regel mit Fußtritten dafür belohnt, worauf sie es scheinbar sogar abgesehen hatte. Wurde sie getreten, kreischte sie herum. Meistens blieb sie nach diesem Prozedere noch ein Weilchen liegen. Vielleicht, um weitere derartige Aufmerksamkeiten zu ergattern. Es machte den Eindruck eines bereits fest einstudierten Rituals, welches regelmäßig aufgeführt wurde. Ich blieb ruhig, bekam das alles zwar mit, mischte mich aber nicht ein.

 

Wie ich später erfuhr, war HP sogar eine Frau Dr. Prof.,11 früher einmal Dozentin an einer Universität. Nachdem ihr Mann verstarb, hatte sie es mit Depressionen zu tun bekommen. Auf Anraten ihrer Verwandtschaft und aus eigenem Antrieb heraus begab sie sich zur Behandlung in die Psychiatrie.12 Nach einer Woche Aufenthalt hatte sie sich13 aber sehr schnell selbst wieder entlassen, da sie festtstellte, dass man ihr dort nicht helfen konnte. Unter einem Vorwand und Zuhilfenahme der "besorgten" Familie hatte man sie sich via Gerichtsbeschluss wieder zurückgeholt. Die Medikamente hatten aus ihr das Wrack in die Welt gezaubert, welches ich nun kennenlernte.

 

Ihre chronisch überforderte Tochter kam sie ab und zu besuchen. Ich hörte sie dann stundenlang mit der Alten in deren Zimmer ins Gericht gehen.

<< Weißt du eigentlich, wie sehr du uns zur Last fällst? >>

Die Alte zirpte etwas, was ich nicht verstand, wurde aber gleich von einem energisch-anklagend scharfem Ton überrannt:

<< Kannst du dich nicht ein bisschen zusammen reißen? Sieh, bei uns klappt das doch auch! Wir bekommen unser Leben geregelt und du? Sieh dich doch an! >>

Wieder zirpte es leise. Die alte Dame litt reale Qualen. Merkte das denn keiner?

<< Du bist eine Schande. Keiner in der Familie will mehr etwas mit dir zu tun haben. Ich bin die Einzige, die dich noch ab und an besuchen kommt. Weißt du eigentlich, was das für mich bedeutet? Wie sehr uns das alle belastet? >>

<< Die anderen verachten mich dafür? Sie sagen... ich soll dich hier verrotten lassen und mehr an mich selbst denken. Kannst du dir das vorstellen? >>

<< Ach! Ich weiß auch nicht, was ich noch tun soll. >>

Und so weiter und so fort. Sie kam und machte der senilen und vom Schicksal gebeutelten alten Dame, die einst einmal so etwas wie Würde gehabt haben muss, bei ihren Besuchen stundenlang anhaltend irgendwelche Vorhaltungen. Jedesmal musste diese sich anhören, wie sie ihr Leben verpfuscht habe14 (und das ihrer Tochter natürlich gleich mit). Sie sollte sich gefälligst dafür schämen, wie sehr man sich für sie fremdzuschämen habe und sich "mal ein bisschen zusammen reißen". Alle litten unter ihr. Sie sollte dankbar sein dafür, dass man sich überhaupt dazu herab ließe, sie so oft zu besuchen. Sie hätte schließlich auch noch etwas Besseres zu tun, als mit ihr hier sinnlos ihre Zeit zu vertrödeln.15

 

Als wenn HP überhaupt noch in der Lage gewesen wäre, diesen hirnrissigen Monologen zu folgen! Zum Schluss fing die Tochter meist hysterisch an zu kreischen, um dann zu verstummen und nach ein paar Schweigeminuten gefühlskalt vernichtend die Behauptung aufzustellen:

<< Da werde ich dem Doktor wohl sagen müssen, dass er die Medikamenten Dosis erhöhen soll. >>

Die nun erfolgenden kreischenden Bitten und das Flehen ihrer Mutter ignorierte sie vollkommen.

 

Ich hatte das dringende Bedürfnis, diesem Unmenschen von einer Tochter die Meinung zu geigen und sie anschließend im hohen Bogen hinaus zu werfen. Kannte ich dieses Lied: Du bist eine Schande für die Familie, ab mit dir in den Scham-Gulli nur zu gut. Kaum zu glauben, was aus einem einst so wertvollen Mitglied der Gesellschaft in der Psychiatrie geworden war. Sie war auf das geistige Niveau eines Kleinkindes zurückgefallen. Wenn sie sich mal wieder ihre abendliche Portion Fußtritte abholte, schallte das Gelächter der Pfleger den Krankenhausflur herunter.

 

Aufgrund meiner fortgeschrittenen Schwangerschaft bekam ich sogar ein Einzelzimmer zugeteilt. Dafür lagen die anderen Patienten nun in Sechs,- und Achtbett-Zimmern. Leider war es für mich nicht möglich, mal für ein paar Minuten an Tag vor die Tür zu gehen. Ich brauchte doch Licht ...und frische Luft! Um gesund und fit zu bleiben, verlangte der Organismus jeden Tag ein bisschen Bewegung. Nachdem ich immer wieder nachfragte, durfte ich irgendwann endlich mit einer Schwester im Schlepptau eine zehnminütige Runde um die Klinik drehen. Die riesenhafte (außerdem stark übergewichtige) Gestalt,16 welche mich begleitete, machte mir Angst. Eigentlich war sie immer nett, höflich und zuvorkommend zu mir gewesen, wunderte ich mich. Ich hatte doch gar keinen Grund, mich vor ihr zu ängstigen! Als ich mal wieder einmal (unabsichtlich) Mäuschen spielen durfte, während sie sich bei nur angelehnter Türe mit einem der anderen Angestellten besprach, lief es mir kalt den Rücken herunter.

 

In dem Gespräch, welches ich belauschte, ging es um einen neu eingelieferten Patienten: einen Ausländer, der noch nicht lange in Deutschland war. Er hatte den Tod seiner Familie mit ansehen müssen, bevor es ihm gelang, zu fliehen. Bei dem Versuch, sich hier das Leben zu nehmen, war er erwischt worden, hatte sich außerdem dem Rettungsversuch energisch widersetzt. Was auch immer diesen Menschen so sehr verletzt hatte, dass er bereit war, deshalb selbst aus dem Leben auszuscheiden, veranlasste die Mitarbeiter hier nicht zu irgendeiner Art von Mitgefühl. Als ich an der nur angelehnten Türe eines Raumes vorbeiging, hörte ich sie miteinander darüber debattieren. Nachdem die Umstände, die zur Einlieferung des neuen Patienten geführt hatten, abgeklärt worden waren, ging es nahtlos mit Gehässigkeiten weiter:

<< Wenn der auch nur einen falschen Mucks von sich gibt, dann isser dran... >> eröffnete er den Reigen.

<< Ja, hier gelten andere Regeln als da draußen, wenns sein muss, dann... >>17 schoss die Dicke den Ball zurück.

Die Nackenhaare stellten sich mir auf. Langsam, darauf bedacht, dabei kein auffälliges Geräusch zu produzieren, das auf meine Anwesenheit und Mitwisserschaft schließen ließe, schlich ich mich davon. Was war das hier nur für ein gruseliger Ort!

 

Damals habe ich mir oft gewünscht, ob ich nicht anstatt in der Psychiatrie lieber in einem Gefängnis hätte sein dürfen. Dort hat man wenigstens noch so etwas wie Grundrechte. Unter anderem bestünde auch eine reelle Chance, seine Unschuld zu beweisen. Im Gefängnis gab es außerdem ein dem Aufenthalt gesetztes zeitliches Limit. Und, was das Wichtigste war: keine Koma-Tropfen. Misshandelt wurde man an beiden Orten, das machte keinen allzu großen Unterschied. Allein der Gedanke, sich aus der Situation befreien zu wollen, galt in der Psychiatrie leider bereits als Verbrechen, das allemal wert war, aufgrund dessen gemaßregelt zu werden.18 Im Unterschied zum psychisch Kranken hat der Kriminelle noch etwas, das sich Würde nennt. In die Schublade rein, fertig aus. Wenn nur die Diagnose stimmt. Wen interessiert schon ein Einzelschicksal? Und obwohl gar keine Verbrechen begangen werden müssen, um eingeknastet zu werden, wird man aus dieser Gefangenschaft unter Umständen nie wieder entlassen.19 Ganz anders in einer wirklichen Strafanstalt: da ist sogar das Schwerste, lebenslängliche Urteil ein überschaubarer Zeitraum. Und dabei hat man sogar noch die Chance, hinterher einigermaßen gesund zu bleiben, während der Patient in einer Psychiatrie systematisch vergiftet wird, bis er an den Folgen davon schließlich verstirbt. Und wehe, irgendjemand wagt es, dem allmächtigen Ärzteclan zu widersprechen. Dann bekommt mans erst recht, und zwar knüppeldicke.

 

Irgendwie hatte ich es zuwege gebracht, ein weiteres Schreiben an das hier zuständige Amtsgericht aufzusetzen. Auf ein Neues! Es wurde recht zeitig positiv beantwortet, ein Anhörungstermin festgelegt. Endlich gab es ein potentielles Licht am Ende des Tunnels. Seit gut drei Wochen war ich jetzt Gast in der Geschlossenen. Es war an der Zeit, diesem Wahnsinn endlich ein Ende zu bereiten.

 

Als Erste erfuhr Frau Dr. Dusk von mir, was zu meinem derzeitigen Problem geführt hatte. Nachdem ich meine Schilderungen beendet hatte, sah ich sie erwartungsvoll an.

<< Ja. Nun wissen Sie, dass ich hier gar nicht hin gehöre. >>

Sie nickte beiläufig, sah mich dabei aber nicht an. Notierte sich etwas.

<< Wann darf ich nach Hause!?? >>

<< Wie kommen Sie denn darauf? >> fragte sie, auf einmal zu einer emotionalen Reaktion fähig. Sie war ganz ehrlich überrascht.

<< Häh? Aber... >>

<< Nein nein. Soo einfach ist das nicht. >>

<< Ich... >> setzte ich erregt zum Widerspruchsverfahren an.

Sie sah demonstrativ auf die Uhr.

<< Ihre Zeit ist um. Wir können uns gern nächste Woche weiter darüber unterhalten. >>

<< WAS? >>

<< Ja. Ich habe jetzt keine Zeit mehr für Sie. Es warten auch noch andere Patienten auf einen Gesprächstermin. >>

 

Ich beschwerte mich. Daraufhin bekam ich es mit dem Chefarzt zu tun. Kein Riese, dabei bereits fast kahlköpfig, trug er eine dieser Lesebrillen, über die hinweg er wichtige Blicke tätigen konnte. Detailliert und strukturiert berichtete ich nun erneut, wie diese Situation zustande gekommen war, in der ich mich (wir uns) derzeit befand(en).20 Als ich jedoch darum bat, mich endlich, Herrgott nochmal, endlich wieder laufen zu lassen, stieß ich damit auf taube Ohren. Für jede Verrücktheit hatte man vollstes Verständnis, aber nicht für die Idee, diesen schützenden Mauern den Rücken kehren zu wollen. Allein die Vorstellung! Das hatte schon etwas Eigen-Gefährdendes, was missbilligendes Stinrunzeln auslöste. Mir kam es so vor, als würde man ausschließlich fürs Lächeln und Abnicken bezahlt, während die Ohren auf Durchzug gestellt waren. Wahnsinn.

 

Alles stand hier Kopf. Was in der normalen Welt Bestand hatte, galt nicht mehr. Das, was einen ganz real in den Wahnsinn treibt, ist nicht der gemeinsame Aufenthalt mit den anderen "psychisch Kranken". Die hatten was weiß ich was erlebt, waren traumatisiert. Das, was einen wirklich völlig fertig macht, ist die Art und Weise, wie in diesen Anstalten mit den Menschen umgegangen wird.21 Es ist das weg-sehende oder sogar pervertiert mit-agierende Pflegepersonal, angeführt durch die Haupttäter, die Ärzte - die dem ungeheuerlichen Vorgehen aller Beteiligten auch noch einen offiziell legalen Touch verliehen.

 

Ich hatte auf den gesunden Menschenverstand, die Vernunft und die Einsichtfähigkeit der Beteiligten gezählt, darauf gehofft, man könne der Erkenntnis, dass man mir in Unrecht getan hatte, auch konstruktiv etwas anfangen. Aber es war nichts weiter zustande gekommen als ein zartes Kopfnicken und etwas Gekritzel auf dem obligatorischen Klemmbrett, womit die Sache dann erledigt zu sein schien. Ich hätte mit allem gerechnet: Entsetzen, Entrüstung, Mitgefühl, vielleicht auch Wut22 - mit so etwas wie dem Versuch, mir Trost zu spenden, mit Verständnis,... vor allen Dingen damit, dass man mir endlich den Schutz gewährte, den ich so dringend nötig hatte. Es war aber, als würde der Mut, den ich für mein Geständnis aufzubringen hatte, nicht zwingend etwas sein, dass man zu würdigen wusste. Scheinbar war meine Offenbarung nur für mich selbst ein bedeutendes Ereignis.

 

Ich war "drin". Drin hieß: ich kam auch nicht mehr heraus. Komme, was da wolle: nur ein kranker Patient war ein guter Patient. Als "Patient" in einer Psychiatrie ist man nicht länger ein Mensch. Im Prinzip ist es so, dass, sobald der Stempel "psychisch krank" drauf ist, man überhaupt keine Rechte mehr hat. Denn alles, was Du erzählst, wovon Du berichtest, weil es dir widerfahren ist, ist dann für andere bloß noch eine Wahnvorstellung, weshalb sich auch keiner mehr die Mühe macht, einem zuzuhören oder echte Aufmerksamkeit zu schenken. Deshalb sind gewalttätige Übergriffe in der Psychiatrie auch nicht nur erlaubt, sondern sogar die Regel. Und ebensolche auf Menschen mit regulär erhaltenen Diagnose-Stempel auf der Stirn auch außerhalb von Irrenanstalten Grund genug, diese dafür direkt wieder einzusperren. Dafür, dass ich misshandelt und verleumdet worden war, musste man mich doch betrafen! Mir rechtlichen Beistand und Schutz zukommen zu lassen?! Wo kämen wir denn da hin! Also wurde man quasi dafür, dass man Opfer eines Verbrechens wurde, zum Opfer des organisierten Verbrechens. Ganz legal.

 

Der Richter kam. So aufgeregt, wie ich war, musste ich nun erst einmal meine Atemtechniken durchführen, um mich zu beruhigen. Dieser Termin war meine letzte Hoffnung! Wir versammelten uns im Therapieraum. Ein kleines dunkles Zimmerchen mit einem Tischchen in seiner Mitte. Ich auf der einen Seite - Er mir gegenüber. Die anderen verteilten sich auf auf ihre therapeutischen Sofaecken. Seine lederne Aktentasche schien schon einige Jahre auf dem Buckel zu haben. Frau Dr. Dusk und eine weitere Person hielten sich hinter ihren Klemmbrettern versteckt.

 

Der Richter nahm Blickkontakt auf. Man grüßte.

<< Wie ist denn das allgemeine Prozedere so? >> fragte ich.

<< Ja, also, ... ich bin hier, um Sie anzuhören. >>

<< Und wie geht das? >> fragte ich erneut, da ich mir keine weiteren Fehler erlauben konnte. Alles sollte streng nach Vorschrift vor sich gehen.

<< Sie haben das Gericht angeschrieben, da sie uns etwas zu erzählen haben. Möglicherweise, weil Sie mit ihrem Aufenthalt hier nicht so ganz einverstanden sind? >>

Ich schnaufte. Ja, das konnte man wohl sagen. Er nickte.

<< Berichten Sie. Ich höre Ihnen zu. Dafür bin ich hier. >>

Ich holte tief Luft und begann zu erzählen.

 

Nachdem ich ihm erklärt hatte, warum ich mich überhaupt an diesem ganz besonderen Ort befand, kündigte er ohne viel Federlesen die sofortige Aufhebung des Gerichtsbeschlusses an. Frau Dr. Dusk und ihre Begleitung fingen daraufhin sofort an, im Dreieck zu springen, begannen zu protestieren, erhoben Einspruch. Erstmals erhob er seine Stimme, um der Sofafraktion Bescheid zu geben:

<< Hören Sie, ich weiß nicht, warum Sie diese Frau hier festhalten. Sie haben doch gehört, was sie gesagt hat! Dabei ist sie vollkommen klaren Verstandes, wach und orientiert. Was haben Sie sich nur dabei gedacht? Sie gehört hier auf gar keinen Fall hin! >>

Er schüttelte demonstrativ den Kopf. Man verstummte widerwillig.

 

Hatte es also doch sein Gutes, dass man mich nicht mit Medikamenten bis Oberkante Unterlippe voll gepumpt hatte. Diesmal konnte der Richter sehen, dass ein Unrecht geschehen war. Wenn ich jedoch nicht mehr in der Lage gewesen wäre, geradeaus zu gehen, geschweige denn, einen zusammenhängenden Satz zu sprechen, hätte die Sache bestimmt anders ausgesehen. Nun vollends beleidigt versteckte man sich wieder hinter seinem Klemmbrett, tat derweil so, als sei man unsichtbar.

 

Der Richter wandte sich mir wieder zu.

<< In Anbetracht ihres Zustandes sollten Sie aber vielleicht besser bis zu der Geburt im Krankenhaus bleiben? >>

Hier bleiben? OMG.

Natürlich hatte er vollkommen Recht. Sein fürsorglich-sanfter Augenaufschlag tat sein übriges, meine Bedenken zu zerstreuen.

<< Da haben Sie vielleicht Recht. >> sagte ich widerstrebend, gleichzeitig bemüht, das gesträubte Nackenhaar wieder platt zu kriegen.

<< Aber auch nur dann, wenn dieser Aufenthalt auch auf freiwilliger Basis geschieht. Verstehen Sie? Man hat mich hier gegen meinen Willen festgehalten, und... >>

ich sah in Richtung der krampfhaft Versteckten,

<< ... dazu auch noch ohne Grund. Das ist nicht in Ordnung! >>

Auch wenn mir die Vorstellung, an diesem Ort zu verweilen, nicht besonders zusagte, wusste ich wohl, wie zeitig die Niederkunft bevorstand. Mit meiner Tochter hatte ich aber die Vereinbarung getroffen, dass sie erst zur Welt kommen sollte, wenn wir das hier glimpflich überstanden hatten.

<< Aber natürlich. Das ist doch selbstverständlich >> versicherte er.

Damit packte er seine Utensilien wieder in die abgewetzte Ledertasche. Abschließend wandte er sich noch einmal an den Klemmbrett-Sitzstreik.

<< Ich werde, sobald ich wieder bei Gericht bin, ein Schreiben aufsetzen, dann bekommen Sie das Ganze auch noch mal schriftlich. Ok? >>

Er drehte sich wieder mir zu, gab mir die Hand, die ich ergriff und festhielt.

<< Alles Gute. >>

<< Ich danke Ihnen. >>

 

Froh über die gelungene Botschaften-Übermittlung war die Aussicht, nun doch nicht nach Hause zu gehen, um zu demonstrieren, wie vernünftig ich war, nicht gerade verlockend. Trotzdem hielt ich es für ratsam, seinem Vorschlag zuzustimmen. Nachher unterstellte man mir wieder, mich in irgendeiner Form der Eigengefährdung schuldig gemacht zu haben, bloß weil ich es für vernünftiger hielt, mich nicht in der Nähe von Weißkitteln aufzuhalten.

 

Die sich im Raum Befindenden schauten stumpfsinnig vor sich hin, so als wären sie eigentlich gar nicht anwesend. Man hatte zwar den obligatorischen Stift und Notizzettel auf dem Schoß - aber anstatt interessiert zuzuhören und vielleicht irgendetwas mitzuschreiben,23 schien das eher eine zu demonstrativen Zwecken genutzte Überlegenheitsgeste zu sein: Ich Arzt, ich Klemmbrett. Ich hätte mir damals auch mal so ein Teil zum draufstarren, mich dahinter verschanzen und vor Wichtigkeit überquillen besorgen sollen, nur so aus Prinzip.

 

Ganz anders dieser Richter! Er konnte sich auch so selbst ernst nehmen. Trotzdem24 er sich allen Anwesenden gegenüber so über-deutlich geäußert hatte,25 wollte die Belegschaft in den nächsten Tagen nichts davon wissen, dass ich nicht mehr zwangsweise, sondern nur noch aus freiem Willen heraus anwesend war. Ich sollte zum Beispiel weiterhin nicht spazieren gehen dürfen, blieb eingesperrt. Hatten die gar nicht zugehört? Wozu dienten denn diese Notizblöcke, die die sich immerzu vor den Bauch hielten, eigentlich, wenn man sich nichts darauf notierte, obwohl man unter Alzheimer litt?

 

Alles blieb, wie es war. Man hätte glatt die Vorstellung bekommen können, bei mir handele es sich um ein wildes Tier... so gingen sie mit mir um. Ich verhielt mich normal, sprach deutlich - trotzdem tat man entweder so, als handelte es sich bei mir um ein Monster, das man nicht reizen, oder um ein rohes Ei, das umzuschubsen man sich nicht zuschulden kommen lassen wollte. Ich wünschte mir doch nur, so wie jeden Tag, eine Runde um den Block gehen zu dürfen! Was war denn daran so schwer? Nun durfte ich auf einmal gar nicht mehr raus. Der Richter hatte den Gerichtsbeschluss für ungültig erklärt UND nebenbei nicht versäumt, anzudeuten, dass man sich mir gegenüber rechtswidrig verhalten hatte. Zur Strafe dafür hatte man mir jetzt den täglichen Spaziergang gestrichen. Ich bestand auf meinem Recht.

Mein:

<< Jetzt hörense doch mal zu, ich bin eigentlich nur noch freiwillig hier! Der Gerichtsbeschluss wurde aufgehoben >> wurde mit einem

<< Da kann ja jeder kommen! >> bekontert.

Baff schwieg ich die obligaorischen zwei Minuten, bevor ich mit einem neuen Versuch durchstartete:

<< Der Gerichtsbeschluss wurde aufgehoben. Gestern war der Anhörungstermin, bei welchem auch Frau Dr. Dusk und eine weitere Person anwesend waren. Wurde diese Information denn nicht an Sie weitergeleitet? Was soll das denn? >>

Zweifelnde Blicke glitten an mir vorüber.

<< Ich bin nur noch hier, weil ich gesagt habe, dass ich hier bleibe, um eine sichere Geburt meines Kindes zu garantieren. Der Geburtstermin steht bald bevor. Allein aus diesem Grund habe ich mich mit dem Richter darauf geeinigt, hier im Krankenhaus zu bleiben. Aber nur unter der Bedingung, dass mein weiterer Aufenthalt auf freiwilliger Basis stattfindet. Was bedeutet: ich kann gehen. Wann ich will. >>

<< Na. Dann warten wir erst mal ab, bis das Gericht und darüber eine schriftliche Mitteilung geschickt hat. >>

<< Aber die Frau Dr. war doch dabei!!! Fragen Sie sie! Sie war dabei! >>

<< Ja, klar. Beruhigen Sie sich. Sie bekommen ihren Spaziergang. >>

Wieder ließ man mich nur mit einer Schwester an der Leine nach draußen. Was solls. Scheiß drauf. Ob ich nun alleine ging oder nicht, war mir letztlich egal. Wenn die so dumm sein wollten? Mir doch egal.

Vielleicht war es sogar ganz gut, dass ich jetzt, wo die Wehen in so geringen Abständen immer wieder kamen, nicht mehr alleine irgendwo hin ging. Die Anwesenheit einer Begleitung hatte sogar einen beruhigenden Aspekt. Die Uneinsichtigkeit der restlichen Beteiligten fand ich jedoch nicht so prickelnd. Was ein Scheißladen. Höchste Zeit, dass wir endlich hier weg kamen.

 

Zuvor hatte ich sehr darauf geachtet, nichts Unbedachtes zu tun, duschte zum Beispiel nur noch, anstatt ein Vollbad zu nehmen. Alles, was Wehen-auslösend war, wurde gemieden. Meiner Ansicht nach sollte mein Kind erst dann geboren werden, wenn ich nicht mehr als offiziell anerkannt Geisteskranke in der Geschlossenen verweilte. Eisern hielten wir uns daran. Mein Töchterchen war scheinbar dergleichen Ansicht, wollte auch nicht in der Psychiatrie geboren werden. Die Ärzte, die mich und meine Kugel regelmäßig abcheckten, wunderten sich mittlerweile sehr darüber, warum da noch nix kam. Es sollte doch jetzt endlich mal los gehen!

1 (bis auf die hinterher gnadenlos einsetzende Migräne)

2 (und als Verbrechen, wenn man sich davor zu schützen versucht)

3 (außer mir selbst: ich war wie immer auf meiner Seite)

4 (ich neige aber eher zu einem ausgeprägten Glauben an die unendliche Dummheit... eine Einstellung, die mich immer auch etwas dumm und naiv erscheinen lässt, weil ich im Normalfall dann immer wieder auch versuche, auf Menschen zu zu gehen und an ihren gesunden Menschenverstand zu appellieren. Mit nur mäßigem Erfolg, wie man sieht. Irgendetwas in mir weigert sich hartnäckig an das Böse zu glauben. Wahrscheinlich weil ich es von mir selbst nicht so kenne)

5 (meine Reaktion darauf - ein Lachanfall - hielt sie jedoch davon ab, dem Taten folgen zu lassen. Vielleicht war es nicht gar so klug, jemanden erst ausrauben und hinterher dafür anzeigen zu wollen, sich selbst einen Schlüssel in die Fresse geschleudert zu haben. Diese Nummer ist fast so cool wie die eines Nachbarn, welcher mir einmal, da ich ihn versehentlich kurz zugeparkt hatte, damit drohte, mich erst zu verprügeln und dann die Polizei zu holen. Die Drohung fand ich so cool, dass ich ihn spontan dazu ermunterte, doch genau das zu tun, während sich mir vor Lachen gefährlich die Knie durchbogen)

6 (wer lauerte da wem auf, war hier mehr die Frage)

7 (auch wenn sie es hinterher vor lauter Scham und Wut über ihr eigenes Verhalten nie versäumen, mir obendrein dafür auch noch die Schuld in die Schuhe zu schieben, um ihr makelloses Gut-Menschen-Selbstbild vor sich selbst und anderen schnell wieder herzurichten)

8 (insbesondere jemand, der sich nicht wehren kann)

9 (um dann meist selbst ordentlich abzukassieren)

10 (eher einen Arschtritt, sie zum Mond zu befördern!)

11(=>privat versichert! Ganz böse Falle)

12 (als Mensch mit einer privaten Krankenversicherung: böse Falle)

13 (auf eigene Verantwortung und gegen den ausdrücklichen Rat der Ärzte)

14(<< Du hattest doch alles! >>)

15 (das Lied kam mir irgendwie bekannt vor)

16 (was für ein Tier!)

17 (hier folgten einige Andeutungen von Dingen, die sie mit ihm anzustellen bereit waren, begleitet von gelegentlichem lüsternen Kichern)

18 (Waaarte nur, dann geben wir Dir halt so viele Medikamente nicht mehr weißt, wie man scheißt! Und dann bleibst du solange hier, bis du nicht mehr weißt, wie du heißt!)

19(=> nach der Entlassung wartet die Bewährungsstrafe auf einen, welche ewig gültig bleibt)

20 (wie ich erst sehr viel später erfuhr, hatte allein er sich darüber gewundert, dass ich gar nicht an den Symptomen einer Psychose litt)

21(wer einmal wissen will, was passiert, wenn man einem Menschen Macht über einen anderen verleiht, kann sich einmal mit dem Milgram oder dem Stanford Prison Experiment auseinandersetzen)

22(über die an mir begangenen Ungerechtigkeiten)

23 (oder auch einfach vielleicht verträumt auf dem Stift herumzukauen!)

24(oder? Vielleicht auch gerade weil)

25 (ja, wer weiß... vielleicht sogar gerade deswegen, hatte er doch empfindlich aufgezeigt, wo die unendliche Macht der Ärzte endete und sie damit, in meinem Beisein als Zeugen, empfindlich geschnitten, nun sollte ich das wieder auszubaden haben)

 



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